Fahrt nach Okaukuejo mit Unfall
Am 26.09.2023 wollen wir eigentlich um 8 Uhr zu Okaukuejo Camp aufbrechen. Manfred hat irgendwo gelesen, dass man im Etoscha Nationalpark weder Handyempfang noch Internet hat. Also schicke ich noch schnell eine WhatsApp an einen Freund, dem ich jeden Tag eine Mail schreibe. Und weil ich schon dabei bin, schließe ich mich auch den Guten-Morgen-Grüßen in der WhatsApp-Gruppe des gemeinnützigen Vereins an, bei dem ich aktiv bin. Da ist gerade ziemlich viel los incl. Instandsetzung und Möblierung eines Gebäudes für die regelmäßige Lebensmittelverteilung an Bedürftige, die bisher unter freiem Himmel stattgefunden hat. Eigentlich wäre ich gerne dabei gewesen, aber die Reise war lange geplant und gebucht. Unser 2. Vorsitzender versichert mir, dass sie „so weit ganz gut klar kommen“ es ihm sehr wichtig ist, dass wir uns gut erholen. Leider können wir diesem frommen Wunsch an diesem Tag nicht nachkommen...
Beim Auschecken muss ich an einem Tablet ein Gäste-Beurteilungs-Formular ausfüllen. Natürlich bewerte ich alles mit voller Punktzahl und schreibe auch noch einen netten Kommentar incl. dass wir die Hobatere Lodge weiterempfehlen würden. Diese Frage kommt dann auf der letzten Seite. Aber doppelt gemoppelt hält besser.
Spuren von Löwen im Sand
Auf der 16 km langen Piste zur Hauptstraße sehen wir immer wieder deutliche Abdrücke von Löwen, die vermutlich in der Nacht unterwegs waren. Zumindest sind uns am Tag zuvor keine Spuren aufgefallen.
Die nächsten Stunden verlaufen relativ entspannt. Wir haben uns für die Fahrt nach Okaukuejo für die gut ausgebaute Landstraße entschieden, nachdem die Pisten im Etoscha Nationalpark teilweise in sehr schlechtem Zustand sind und wir bei der Herfahrt durch einige Baustellen behindert wurden. Vereinzelte Giraffen neben der Straße und eine Giraffe, die die Straße überquert, sorgen auch hier für erfreuliche Tiererlebnisse. Ansonsten prägen eher Rinder und Schafe und vereinzelte Fußgänger das Straßenbild. Autos sind kaum unterwegs.
Unfall beim Einkaufen
Nachdem das Angebot an Lebensmitteln im Etoscha Nationalpark sehr begrenzt ist, machen wir noch einen kurzen Abstecher nach Outjo. Vor dem örtlichen Spar sind Weiße plötzlich in der Überzahl und der Parkplatz ist brechend voll. Ein Security-Mitarbeiter weist uns in eine ziemlich enge Parklücke ein und schon tut es einen lauten Knall und die Alarmanlage des Nachbarautos geht los. Manfred ist die Ausmaße unseres Toyota Hilux immer noch nicht ganz gewöhnt und ist an ein anderes Auto angefahren. Sofort sind weitere Security-Mitarbeiter und auch etliche Schaulustige zur Stelle.
Unser Mietwagen hat links vorne einen leichten Blechschaden, den man sehr leicht beheben kann, genau wie die paar Kratzer im Lack.
Der Schaden an dem anderen Auto hält auch sich in Grenzen, zumindest der, den wir verursacht haben. Das Rücklicht ist schon länger zerbrochen und auch ansonsten hat das Geländefahrzeug schon einige Dellen und Schrammen abbekommen. Da kommt es auf den kleinen Kratzer, den wir unter dem zerbrochenen Rücklicht hinterlassen haben, nicht mehr an. Das sieht auch der Besitzer so, der nach ca. zehn Minuten ankommt und erstaunlich gut Deutsch spricht. Kein Problem. Relax. Aber wir sollten den Unfall bei der Polizei melden. Er kann uns den Weg zeigen und wir können vorher noch in Ruhe einkaufen, weil er selbst noch in ein anderes Geschäft schauen will. Also haben wir noch Glück im Unglück. Wenn wir einen anderen Mietwagen gestreift hätte, wäre das sicher deutlich komplizierter für alle Beteiligten.
Wir kaufen nur das Nötigste und sind kurz darauf wieder an unserem Auto. Der relaxte Fahrer des anderen Autos sitzt bereits hinter dem Steuer und plaudert noch mit dem Security-Mitarbeiter, der uns eingewiesen hat. Wir folgen ihm zur nahe gelegenen Polizeidienststelle, wo er sich verabschiedet, weil er noch ein paar Geschäfte zu erledigen hat.Geschäftstüchtige Einheimische vor Polizeistation
Geschäftstüchtig sind auch die jungen Einheimischen, die mich sofort nach meinem Namen fragen und auch nach dem von „Papa“, womit sie natürlich Manfred meinen. Und sie vermuten richtig, dass wir aus Germany kommen, woraufhin sich mein junger farbige Gesprächspartner als Hans vorstellt. Spätestens jetzt wird mir klar, dass hier irgendwas nicht mit rechten Dingen zugeht. Aber wir stehen direkt vor der Polizei und ich erkläre, dass wir da gleich rein müssen. Also kann uns wohl nicht viel passieren.
Unfallmeldung bei Polizei
Nachdem ich unser Problem geschildert habe, werden wir ins Innere der Dienststelle gebeten. Ein junger Polizist fragt, wo das Unfallauto steht und ich antworte „outside“ (draußen). Logisch, wo sollte es auch sonst stehen. Er begleitet uns nach draußen, macht einige Fotos vom Unfallschaden, Kennzeichen und der Telefonnummer des Autovermieters. Dann geht es wieder nach drinnen und das bürokratische Procedere einer Unfallaufnahme beginnt. Zum Glück haben wir damit bisher nur wenig Erfahrung. Aber in Deutschland ist es sicher auch nicht komplizierter. Nach ca. einer halben Stunde ist das Schadensformular ausgefüllt, unterschrieben und für uns kopiert. Nun müssen nur noch 60 Dollar (ca. 3 Euro) bezahlt werden. Wir folgen dem freundlichen Polizisten durch das halbe Polizeirevier, weil die dienstbaren Geister im Hintergrund scheinbar alle in der Mittagspause sind. Schließlich erreicht er telefonisch eine junge Kollegin, die ein weiteres Formular ausfüllt, von dem wir einen Durchschlag erhalten. Dann können wir gehen.Gegen 12:30 Uhr verlassen wir die Polizeistation und wollen eigentlich noch schnell ein Foto von dem Unfallschaden machen und gleich unseren Autovermieter informieren, weil wir in Outjo natürlich noch sehr guten Handyempfang haben.
Aufdringliche Souvenirverkäufer sind noch da
In der Aufregung habe ich „Hans“ und seine Kollegen ganz vergessen – sie uns leider nicht. Der junge Farbige, der sich nun mit einem afrikanischen Namen vorstellt, hat bereits zwei zugegeben recht schöne Nüsse mit unseren Namen graviert und drängt mir gleich noch fünf weitere auf, für 700 Dollar (ca. 35 Euro). Nicht für ihn, sondern für die „Kinders“. Das bestätigen auch 4-5 weitere Männer, die uns beinahe umzingeln. Scheinbar können alle er ein paar Wörter Deutsch, zumindest die, die man braucht, um arglose deutsche Touristinnen über den Tisch zu ziehen – und das direkt vor der Polizei. Ehe ich mich versehe, hat mir einer der Souvenirverkäufer sieben Nüsse an die Finger meiner linken Hand gehängt, für den sagenhaft günstigen Sonderpreis von 700 $ (ca. 35 Euro). Manfred ist so genervt, dass er sofort wieder zurückläuft, obwohl klar sein dürfte, dass die Polizei hier nichts unternehmen wird. Sonst würden die modernen Wegelagerer nicht hier, sondern woanders ihr Unwesen treiben. Ich kann Manfred überreden, dass er dem Kerl wenigstens die beiden gravierten Kunstwerke abkaufen soll, damit wir endlich Ruhe haben und weiterfahren können. Vor dem Auto erwartet uns ein Bettler, dem Manfred noch etwas Kleingeld gibt, damit der den Weg frei macht, obwohl man Bettlern grundsätzlich nichts geben soll.
Aber wir sind nach unserem Unfall beide im Ausnahmezustand und mit den Nerven am Ende, wie vermutlich die meisten, die zur Polizei gehen müssen. Das ist vielleicht auch einer der Gründe, warum „Hans“ und Co. gerade hier ihr Unwesen treiben. Vor allem erwartet man hier so etwas nicht, sondern eher vor Supermärkten oder touristischen Einrichtungen.
Navi fällt bei „Out“ aus
Wir sehen zu, dass wir Land gewinnen und wollen den Schaden am ersten Rastplatz nach Outjo fotografieren und melden. Leider haben wir dort schon keinen Handy-Empfang mehr. Dass der Akku des Handys auch so gut wie leer ist, weil wir es zum Navigieren verwendet haben, nachdem unser Navi ausgefallen ist, wäre kein Problem. Wir haben das Ladegerät greifbar und können das Gerät im Auto wieder aufladen. Übrigens ist das Navi ausgerechnet ausgefallen, als ich „Outjo“ eingeben wollte – und zwar nach „Out“ (aus). Seltsamer Zufall…Als wir gegen 14 Uhr am Gate des Etoscha Nationalparks ankommen, stellen wir zu unserer großen Erleichterung fest, dass wir sehr guten Handy-Empfang haben. Vor uns warten bereits einige Autos und scheinbar müssen die meisten auch erst ein Permit lösen. Also haben wir genug Zeit, den Schaden zu fotografieren, beim Autovermieter anzurufen und eine Nachricht mit dem Foto zu senden.
Tiere interessieren uns gerade nicht mehr
Die Zebras, die wenig später über die Straße laufen und eine Giraffe, die kurz darauf nicht weit entfernt steht, interessieren uns gerade nicht mehr. Ich kann mich noch gut an unsere erste Fahrt in den Etoscha Nationalpark erinnern und an die erste Giraffe, die auch schon kurz hinter dem Gate aufgetaucht ist. Ich war damals so begeistert, dass ich sofort aus dem Auto gesprungen bin, um ein Foto zu machen. Im nächsten Moment ist mir bewusst geworden, dass man in den afrikanischen Parks gar nicht aussteigen darf und ich bin auch gleich wieder eingestiegen. Der erste Enthusiasmus ist nach zwei großen und großartigen Afrika-Reisen natürlich verflogen. Was sich leider nicht geändert hat, ist, dass ich mit dem Afrika außerhalb der Nationalparks nicht zurechtkomme: Mit der unübersehbaren Armut, aber auch mit Menschen wie „Hans“, die sogar vor der örtlichen Polizeistation Touristen und vermutlich vor allem Touristinnen unerwünschte Souvenirs aufdrängen und mit moralischer Erpressung noch weiter dazu beitragen, dass sich Menschen wie ich in ihrem Land absolut unwohl fühlen.